Startseite
Lebenslauf
Stationen meines Lebens
Meine Eltern
Gedichte
Bibliographie
Weiteres
|
|
Biografie Dr. Marie Bock, geb. Lemke
( 26.10.1880 - 18.08.1954 )
Ihre Aufzeichnungen :"Erinnerungen an Kindheit und Jugend", geschrieben in den Kriegs- und Nachkriegszeiten, beginnen mit den Worten :
Auf meiner Kindheit und meinem Elternhaus liegt ein goldener Schimmer.
Wenn ich an jene Zeit denke, wird´s in meinem Herzen warm.
Räumlich und seelisch gab mein Elternhaus mir ein Gefühl der Geborgenheit und Heiterkeit.
Marie Lemke, geboren am 26.Oktober 1880 in Königsberg, wuchs mit vier Brüdern und zwei Schwestern auf.

Ihr Vater ,Georg Friedrich Lemke

war Kaufmann und Besitzer einer Ziegeleifirma in Königsberg.
Ihre Mutter, Marie, geb.Eckhardt, stammte aus der großen Kaufmannsfamilie der Eckhardts in Stuttgart.

Marie Lemke schildert in ihren Erinnerungen sehr anschaulich und lebendig ihr Leben als behütetes Kind und später als höhere Tochter mit all den Möglichkeiten, die sie in ihrem Stand hatte. Sie bekam eine vorzügliche Ausbildung und konnte , bedingt durch ihre große Verwandtschaft viele Reisen unternehmen wie Paris, London und Amerika aber auch in Deutschland nach Nürnberg,Stuttgart, Dresden, Baden-Baden. Sie hatte eine schnelle Auffassungsgabe lernte schnell und hatte Freude daran.
 Marie Lemke,17 Jahre alt.
Ein einschneidendes Verlusterlebnis war der Tod ihres geliebten Vaters am 30.Dezember 1897 in Dresden.
Sie wurde jetzt die Stütze für ihre Mutter, in dem sie tatkräftig im Elternhaus die Regie übernahm, denn die Brüder waren nach ihrer Schilderung noch unmündig und die Schwestern Ottilie und Elisabeth noch sehr klein.
Dennoch fand sie immer wieder Zeit ihren geistigen Interessen nach zu gehen.
In Königsberg wurden nach dem Vorbild von Berlin und Breslau Gymnasialkurse für Frauen und Mädchen eingerichtet dort meldete Marie sich an und jetzt kam zu allen ihr längst bekannten Sprachen wie Englisch und Französisch die Sprachen Latein und Griechisch und
Mathematik dazu.
Mit Begeisterung nahm sie diese neuen Herausforderungen an und man kann ihre Schilderungen über diese Zeit nur mit Staunen lesen.
Hier auf dem Altstädtischem Gymnasium, begegnet ihr 1902 in dem neuen Deutschlehrer :
Wilhelm B o c k
Erinnerungen von Marie Lemke
Als 1914 der 1.Weltkrieg ausbrach und Rastenburg zum Grenzland wurde, schickte
Wilhelm Bock seine Frau mit den vier Kindern ( 1912 war Christel geboren ) zunächst zu
Verwandten seiner Frau auf ein Gut in der Uckermark. Auf abenteuerlichen Fluchtwegen kam er später nach.
Als das Grenzland wieder frei war, kehrten er und seine Frau mit dem Sohn Hans-Georg und
Tochter Christel nach Rastenburg zurück, wo er weiter am Gymnasium unterrichtete.
Die Töchter Marion und Hildegard brachte er nach Baden-Baden. Dort lebte seine Schwiegermutter Marie Lemke bei ihrer Schwester Ottilie.
Die Lage in Ostpreußen blieb aber unsicher. Als im Juli 1915 als fünftes Kind die Tochter Käthe geboren war, reiste Marie Bock mit den drei kleinen Kindern zu den Verwandten ihres
Mannes nach Hundsdorf und holte Marion und Hildegard ebenfalls dorthin.
Bis 1916 blieb die Familie getrennt bis Ostpeußen wieder befreit war und
Wilhelm Bock nach Königsberg versetzt wurde.
Im Sommer 1916 endlich zog die Familie in Königsberg in der "Steinstraße auf den Hufen "ein.
Aus den Aufzeichnungen der Tochter Marion :
"Für meine Eltern war Königsberg eine große Verbesserung vor allem war es die Heimat meiner Mutter und sie nahm sofort ihr Studium der klassischen Philologie, das sie schon vor ihrer Heirat begonnen hatte, wieder auf.
Wir hatten auch Verwandte in Königsberg und lernten Vettern und Kusinen kennen vor allem aber freuten wir uns, als die geliebte Großmutter (Marie Lemke) wieder nach Königsberg zog.
In Königsberg aber erlebte die Familie das Ende des 1.Weltkrieges 1918 mit all seinen Folgen, dem Hunger und der spanischen Grippe, die noch einmal soviel Todesopfer forderte. Zur Wirtschaftskrise nach der Kapitulation Deutschlands und dem folgenschweren Versailler Vertrag von 1919 kam nun die Inflation.
Dazu die Erinnerungen von Marion Bock:
"in dieser Zeit spielte auch das Geld eine Rolle: Wir "Großen" wurden zum Einkaufen angestellt und da mussten wir tüchtig rechnen. Ich erinnere mich, dass das Brot zuletzt eine Billion kostete, eine Zahl, die sonst im Leben eines Kindes kaum vorkommt.
Kam das Gehalt des Vaters, so musste es sofort ausgegeben werden, denn schon wenige Stunden später war es kaum die Hälfte wert.
Etwas Gutes aber hatte die Inflation für unsere Familie doch : unsere Mutter, die damals grade ihre Studien an der Albertus Universität abschloß, konnte sehr billig ihren
"Doktorhut" erwerben. In der Stadt machte dies großes Aufsehen, wir Kinder merkten nicht viel davon. Sie hatte ihr Studium gleichsam nebenbei durchgeführt und, weil es ihr Spaß machte, hatte sie nie geklagt.
Dazu aus einer Notiz von W. Bock :"aus meinem persönlichen Leben mag berichtet werden, dass meine Frau neben ihrem Haushalt mit 5 Kindern trotz aller Schwierigkeiten der Inflationszeit in den Jahren 1921/23 ihr philologisches Staatsexamen abgelegt hat und mit einer Arbeit über "Külpes Realismus und Schuppes Immanenzphilosophie zum Doktor promoviert worden ist.
Im Juli 1924 wurde Wilhelm Bock, inzwischen 1916 vom Kaiser W.II noch zum Professor ernannt, als Oberstudiendirektor am Staatlichen Gymnasium mit Realschule in Lyck befördert.
Seine liebevolle anschauliche Schilderung über diese Stadt und s e i n e Zeit dort lohnen sich nach zu lesen ( Biografie v.Prof.w, Bock )
Marie Bock aber fand hier in Lyck sehr schnell mit ihrer lebendigen, tatkräftigen Art neue
Betätigungsfelder.
Ihre älteste Tochter Marion hatte als 17.jährige die wundersame Geschichte der "Lilofee" gedichtet. Dies galt es auf zu führen aber das war nicht so ganz einfach, denn die masurichen Mädchen konnten sich nur schwer in "tanzende Elfen "verwandeln!
Auch gab es u.a. den "Froschgesang" und den "Zwergentanz" melodisch einzusetzen bloß wer vertont diese Verse? Ein Komponist, den Marie kannte, sollte das übernehmen aber das ging gänzlich schief.
Nach betretendem Schweigen aller Beteiligten, bedankte sich Marie höflich bei dem Komponisten und rief nach kurzem Nachdenken aus: Vetter Georg, ja, Vetter Georg, der muß das machen" Und tatsächlich,Vetter Georg Sehmsdorf,Student der Theologie, kam, setzte sich ans Klavier und gab den Fröschen und den Zwergen ihre typische, einfache und ausdrucksstarke Melodie.
So konnte das Stück aufgeführt werden - und es wurde ein großer Erfolg.
Die "Zwergen" und "Frösche" aber wurden durch ihre Melodie damals zu "Ohrwürmern",die die Jungs auf den Straßen pfiffen.
Aus den Erinnerungen von Wilhelm Bock : L y c k
"In der Erinnerung an eine 10jährige Tätigkeit dort, die den Höhepunkt in meinem Leben bildete, wird mir das Herz warm, wie einst, wenn am warmen Spätsommertag die sinkende Sonne im Rücken, der schön geformte Schattenriß der Stadt zu dem heimkehrendem Wanderer herüber grüßte."
Marion Bock : . Politisch engagierten sich unsere Eltern im Rahmen der "Deutschen Volkspartei ", deren bedeutendster Vertreter Gustav Stresemann war. Er hatte als Außenminister schon einiges in Bewegung gebracht um die harten Bedingungen des
Versailler Vertrages zu lockern."
Marie Bock kandidierte für den Reichstag zur Reichstagswahl am 14.9.1930
Für die "Deutsche Volkspartei" Liste 5.
1934 wurde Prof. Wilhelm Bock Direktor des Gymnasiums in Allenstein, er musste den braunen "Vasallen Hitlers" weichen.
Am 1. April 1937 wurde er pensioniert. Danach lebte das Ehepaar Bock wieder in Königsberg und beide unterrichteten an einer Privatschule.
Marie Bock begriff sehr schnell nach der Schlacht von Stalingrad, dass es zur Katastrophe kommt und beherzt nahm sie einen Wohnungstausch auf, der sich anbot, weil ein Angehöriger der Armee aus Einbeck einen Wechsel nach Königsberg anstrebte.
In Einbeck, der schönen, mittelalterlichen Stadt, hat sie noch einmal für sich und ihre Familie ein Zuhause geschaffen. Leider wurde sie durch die Parkinsonsche Krankheit in ihrer Mobilität bald sehr eingeschränkt.
Aus den Aufzeichnungen der Tochter Marion :
Der Krieg freilich verschonte die Eltern auch in Einbeck nicht aber sie ertrugen mit Würde
Hunger, Kälte Luftangriffe und politischen Druck.
So musste meine Mutter ein Verhör über sich ergehen lassen, weil sie mit Angehörigen der "Stalinkämpfer" korrespondiert und zwischen ihnen Nachrichten vermittelt hatte, die der offiziellen Propaganda widersprachen, wahrscheinlich verdankte sie es nur ihrer Intelligenz und ihrer Disziplin, dass sie nicht verhaftet wurde.
Als sich die Lage in Ostpreußen 1944 verschärfte, brachte Käthe, die Jüngste,ihre beiden Kinder Annemarie und Hinrich Cölle, zu den Eltern, sie selbst war in Allenstein dienstverpflichtet. Trotz Mutters zunehmender Behinderung wurden die Kleinen aufgenommen und liebevoll versorgt über das Kriegsende hinaus.
Auch im Westen rückte die Front näher. Als die Truppen der Allierten vor Einbeck standen und der Stadt die Bombardierung drohte, falls die Verteidigung nicht kapitulierte, ging unser
Vater zunächst mit einigen anderen beherzten Männern aufs Rathaus, um die Verantwortlichen zur Kapitulation zu bewegen. Doch der Versuch drohte zu scheitern, da entschlossen sich die beiden alten Leute in Verantwortung für die Kinder, die gefährdete Stadt zu verlassen.
Mit einem Handwagen zogen sie zum Friedhof, dessen Mauern einen gewissen Schutz versprachen. In meinen Alpträumen sehe ich sie immer wieder diesen Weg gehen, im März oder April bei noch nicht sehr warmem Wetter, mühsam den Handwagen ziehend, in dem nichts als die Kinder waren, die Mutter schon sehr gehbehindert, der Vater 70 Jahre alt.
Wie muß ihnen zumute gewesen sein! Der einzige Sohn nach Stalingrad in Russland verschollen, die Töchter im Osten in der Hand der Russen oder im Kampfgebiet.
Und sie selbst? Würden sie mehr als das nackte Leben retten?
"Es wird schlimm werden "hatte mein Vater schon lange vorher vorausschauend gesagt.
Gott sei Dank! Die Stadt wurde kampflos übergeben. Die Eltern konnten nach Ablauf der Frist mit den Kindern in ihr Heim zurückkehren. Für sie war der Krieg zu Ende.
Auch die 5 Kinder meldeten sich zurück, nach und nach, zuletzt auch der Sohn aus russischer
Gefangenschaft.
Doch das Leben der alten Leute blieb überschattet durch mancherlei Kummer, vor allem aber durch die zunehmende Behinderung unserer Mutter. Aber geistig war kein Nachlassen zu spüren, es gab damals noch kein Fernsehen und auch ihr Radioapparat war nicht besonders gut, aber ich fand sie Bücher lesend oder den Atlas studierend, wenn ich hin und wieder auf Besuch kam."
Marie Bock starb 10 Tage nach ihrem Mann, am 18.August 1954 in Einbeck.

| |
|